New Brunswick

Der nächste Ort ist Woodstock. Eigentlich wollen wir dort zum örtlichen Campingplatz zum Entsorgen und Wassertanken. Unterwegs sehen wir am Strassenrand ein silbernes Fiat Ducato-Wohnmobil mit Münchner Kennzeichen. Natürlich halten wir sofort an und treffen auf Gabi und Eduard, die ihr Fahrzeug nach Halifax verschifft haben und auch zwei Jahre in Nordamerika bleiben wollen. Bei ihnen steht Andy vom Starnberger See, der seit drei Jahren hier in Kanada als Truckerfahrer sein Geld verdient. Wir plaudern sicher zwei Stunden am Strassenrand, jeder hat Tipps für den anderen und vor allem Andy versorgt uns mit vielen nützlichen Informationen. Die Wichtigste davon: Erdinger Weissbier gibt’s im Liquor Store quasi um die Ecke (für den Spottpreis von knapp 5 Dollar die Flasche!). Egal, nach sieben Wochen Ami-Bier ist das ein Muss. Gabi und Eduard nehmen die Gelegenheit auch wahr (als waschechte Bayern gell...).

 

Weiter geht es über St. Stephen nach St. Andrews, einem schönen Küstenstädtchen mit hübschen bunten Häusern und kleinen Lädchen (die ich aber alle gemieden habe!). An einem kleinen Picknickplatz direkt an der Küste am Ende des Städtchens vespern wir erst einmal. Ein Spaziergang am Strand entlang führt uns vorbei am örtlichen Campingplatz: Dicht gedrängt steht Wohnmobil an Wohnmobil. Der Platz ist zwar sehr schön, direkt am Meer und nur durch die schmale Zufahrtsstrasse getrennt, aber das Preis-Leistungsverhältnis ist doch eher schlecht (billigster Platz ohne Versorgung CAN 35). Es gäbe hier genug und noch schöne Flecken zum Campen, leider nicht erlaubt. Wir bleiben an unserem Picknickplatz stehen für die Nacht, schliesslich sehen wir nirgendwo ein Schild. Am nächsten Morgen kommt ein älteres Ehepaar mit dem Fahrrad vorbei, die weiter oben an der Strasse ein Bed & Breakfast haben. Wir unterhalten uns eine Weile und sie sagen uns, dass wir hier nicht hätten stehen dürfen und wir Glück gehabt hätten, dass die Polizei uns nicht weggejagt und uns eine Busse aufgebrummt hat. Manchmal muss man eben auch Glück haben...

 

Von Back Bay nehmen wir die kostenlose 20-minütige Fähre nach Deer Island. Die 10 km lange und 5 km breite Insel ist bekannt für den „Old Sow Whirlpool“, dem grössten Gezeitenstrudel in der westlichen Hemisphäre (Es gibt noch vier weitere bedeutende Strudel: Einer in Japan, einer in Schottland und zwei in Norwegen), am Besten sichtbar 3 Stunden vor der Flut.

Das Ganze entwickelt sich dann aber doch nicht so spektakulär wie erwartet. Natürlich haben wir auch überhaupt keinen Plan, wann Ebbe und Flut ist. Wann immer wir auf's Wasser schauen, ist es weg. Morgens, mittags, abends, es ist immer weg. Wir fahren immer entlang der Bay of Fundy, die den höchsten Tidenhub der Welt haben soll (bis zu 12 m), irgendwie komisch...

Jedenfalls hat es jede Menge Seehunde und Tümmler in der Bucht und es macht richtig Spass, die lustigen Tiere zu beobachten.

Wieder zurück an Land geht es weiter nach Blacks Harbour, wo am nächsten Tag um 07.30 Uhr die Fähre nach Grand Manan Island ablegt, wo wir mit Whales-n-Sails eine Whale-Watching-Tour auf einem Segelschiff gebucht haben. Am Fährhafen frage ich nach, ob wir dort auch übernachten können. Kein Problem, ganz hinten im Eck steht bereits ein Truck und ein Wohnmobil, da sollen wir uns dazustellen (sogar mit eigenem kleinen Privatstrand, leider nicht sehr sauber). Noch eben den Rucksack packen mit Getränken, Vesper, warmen Klamotten und Sonnencreme, dann geht’s ab in die Falle.

 

Am nächsten Morgen um 05.45 Uhr klingelt der Wecker. Wir fahren vor an den „Tagesparkplatz“ und frühstücken erst mal (das Auto lassen wir hier stehen).. Um 06.45 Uhr muss ich uns einchecken und pünktlich um 07.30 Uhr geht’s los. Es soll ein herrlicher Tag mit 32°C werden! Um 09.00 Uhr erreichen wir Grand Manan, wir haben noch zweieinhalb Stunden Zeit, bis wir in See stechen. In einem goldigen kleinen Café am Strassenrand leisten wir uns einen Kaffee, sitzen draussen und geniessen das Meer und das herrliche Wetter. Neben uns packen zwei Einheimische ihre Geigen aus und spielen irische Lieder, die „Inselärztin“ (sie hat vergessen, das Stethoskop abzunehmen), singt dazu. Was ein wunderschöner Tagesbeginn! Später erzählen sie uns, dass sie seit drei Jahren versuchen, auf der Insel eine Gruppe zusammenzustellen, die einmal die Woche gemeinsam musiziert. Leider ist ihnen das bisher nicht gelungen, aber sie versuchen es weiterhin.

Um 11.00 Uhr verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg zum Hafen. Unser Kapitän ist Sarah, die den Job schon 16 Jahre lang macht. Mit an Bord sind Allan, der für die Unterhaltung der Gäste zuständig ist (unter anderem), Laurie, eine Meeresbiologin und Jeff, unser Smutje, eine Gruppe Senioren (aus der Altersgruppe 80++) sowie noch ein paar Individualreisende wie wir.

Es ist unerträglich heiß, heute geht aber auch kein Lüftchen. Während wir warten, bis wir an Bord können, läuft uns schon der Schweiss in Strömen. Aber das wird sich ändern, das wissen wir nur noch nicht...

Ca. eineinhalb Stunden fahren wir auf den Atlantik hinaus mit Segeln und Motor. Mittlerweile ist schon kein Land mehr in Sicht und es kommt wir so vor, als würden wir gleich in England rauskommen. Es ist jetzt ganz schön frisch geworden, die Fleecejacke und das Stirnband bewähren sich. Dann die ersten Wale: Es sind Buckelwale, zwei Stück. Der Motor wird abgeschaltet und wir segeln nur noch. Nur zwei bis drei Meter entfernt vom Boot schwimmen diese mächtigen Tiere an uns vorbei, ein grandioses Erlebnis. Sie tauchen unter, dann wieder auf, pusten ordentlich (was ganz schön stinkt). Als sie dann ganz abtauchen, fahren wir wieder ein Stück weiter und stossen auf eine Buckelwal-Mutter mit Kalb, zu denen sich dann noch ein dritter Wal gesellt. Dieser kommt ganz nah an unser Boot und schaut aus dem Wasser, Wahnsinn! Die Mutter und das Junge drehen sich beide, sodass die weisse Unterseite für uns sichtbar ist und die Seitenflosse erscheint wie zum Gruß.

In der Ferne sehen wir auch einen Finnwal, zu erkennen an der geraden, hohen Wasserfontäne die er ausstösst. Er ist aber für uns zu weit entfernt, schade...

Auch Seehunde und Tümmler sehen wir immer wieder. Die Seehunde stecken neugierig ihren Kopf aus dem Wasser und beobachten uns...lustig. Mittlerweile ist uns allen dermassen kalt, das ist nicht mehr so lustig. Aber die Faszination dieses Erlebnisses lässt uns die Kälte vergessen. Leider geht die Zeit viel zu schnell vorbei und wir müssen uns wieder auf die Rückfahrt machen. Immer wieder begegnen uns Buckelwale und noch ein paar Mal schalten wir den Motor aus, bevor es endgültig Richtung Hafen geht. Jeff serviert uns seine hausgemachte Fish-Chowder (Fischsuppe) mit Brot, sehr lecker und das Beste daran: Sie ist warm!

Um 16.00 Uhr erreichen wir den Hafen, unterwegs entledigen wir uns schon wieder den warmen Klamotten und können bei Ankunft an Land kaum mehr glauben, dass wir vor einer Stunde noch geschlottert haben. Um 17.30 Uhr geht unsere Fähre zurück zum Festland, bis zur Abfahrt schwitzen wir schon wieder bei 30°C...

Mit Einlaufen der Fähre in Blacks Harbour geht ein traumhaft schöner Tag zu Ende mit Erlebnissen, die wir sicher nie vergessen werden.

 

Am nächsten Morgen müssen wir uns erst einmal um Nobbis Rente kümmern. Er hat festgestellt, dass im Juni keine Leistungen bezahlt wurden (Deutsche Rentenversicherung sage ich nur, die grössten Verbrecher in unserem Land. Kein Geschäftsmann käme mit deren Politik durch!). Nach ein paar Telefonaten von Hinz zu Kunz und wieder zurück haben wir erfahren, dass Nobbi als „nach Amerika ausgewandert“ eingestuft wurde und somit die Zahlungen eingestellt. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Du arbeitest 45 Jahre und bezahlst jeden einzelnen Monat deine Beiträge, dann verlässt du für ein paar Monate „reisehalber“ das Land und schon bist du ausgewandert und dein gesamtes einbezahltes Geld ist für das Körperteil mit der runden Öffnung nach aussen. Da fällt mir einfch nix mehr dazu ein. Lange Rede kurzer Sinn, die Angelegenheit wurde von Speyer zur Rentenversicherungsanstalt Nord weitergegeben, die für Auswanderer zuständig sind. Dort anzurufen ist ungefähr so wie bei der Telekom: Warteschleife, nervende Musik und sonst nix. Wenigstens hat sich ein sogenannter „Berater“ in Speyer dazu bereit erklärt, sich zu informieren. Durch die Zeitverschiebung können wir im Moment nicht mehr machen und müssen die Sache vertagen.

 

Dann fahren wir weiter entlang der Bay of Fundy, an St. Johns vorbei zum Hopewell Cape, wo man die Hopewell Rocks, rote Gesteinsformationen, bei Ebbe und Flut bestaunen kann.Wir haben mittlerweile auch eine Gezeitentabelle, es ist jetzt fast 18.30 Uhr und es ist Flut. Heute können wir die Felsen vom Wasser umspült sehen, morgen zwischen 11..00 Uhr und 17.00 Uhr ist dann Ebbe und man kann zwischen den Felsen am Strand herumlaufen.

Auf dem Parkplatz treffen wir auf ein Ehepaar mit einem quietschgelben Wohnwagen. Die beiden fragen uns, ob wir ihre Tickets möchten, sie sind noch für heute und morgen gültig. Gerne nehmen wir das Angebot an und haben so gleich mal 18 Dollar gespart! Schnell die Kamera geholt und rein geht’s in den Park, der noch bis 20.00 Uhr geöffnet hat. Ein 800 m langer Fussweg führt uns zur Aussichtsterrasse, von der dann jede Menge Stufen an den Strand führen (jetzt allerdings steht die Hälfte der Stufen unter Wasser).

Auf dem Parkplatz des Parks dürfen wir natürlich nicht übernachten. Also suchen wir uns dieses mal eine Baptistenkirche mit Friedhof zur Nachtruhe...war übrigens sehr ruhig da...;-)

 

Am nächsten Morgen fahren wir wieder zum Parplatz der Hopewell Rocks und Nobbi muss zuerst mal die Kühlschranktür inspzieren, die durch die schwere Ladung (hier gibt’s ja alles nur in 2-Liter-Gebinden) und das Gerüttel ziemlich aus den Angeln geraten ist. Er hat sie zwar schon zweimal notdürftig geflickt, aber jetzt ist ein Stück herausgebrochen und es muss eine Aluleiste aufgeklebt und neu verschraubt werden, sonst können wir den ganzen Kühlschrank (unser wichtigster Einrichtungsgegenstand zwecks gekühlter Supp, oder Bier wie der Nichtpfälzer sagen würde...).

Doch zuerst müssen wir noch die Felsen „trockenen Fusses“ betrachten, was wirklich beeindruckend ist. Den Informationen in Reiseführer und lokalem Werbematerial nach, müsste hier der Tidenhub bis zu 12 m betragen, wir konnten allerdings höchstens 2 m feststellen. Na ja, es ist wahrscheinlich wie beim Mont St. Michel in der Normandie: Früher konnte man nur bei Ebbe über den Damm fahren, heute steigt das Wasser lange nicht mehr so hoch und man kann immer rüberfahren...

 

Nach rund 20 Kilometern Fahrt sind wir in Moncton am Home Depot, Ersatzteile für die Kühlschranktür kaufen. Der Parkplatz ist riesig und wenig besucht und Nobbi kann gleich mit der Reparatur anfangen.

 

Am nächsten Morgen kann die Tür wieder eingebaut werden. Noch schnell zum Walmart, nochmal der traurigen Rentenversicherung anrufen und dann geht's weiter Richtung Nova Scotia. Am 21. Juli kommt Manu (meine Schwester, manchen auch besser unter dem Namen "Weggleholer" bekannt...) in Halifax an und reist dann für drei Wochen mit uns.

 

Nova Scotia

 

 

...und alle weiteren Ziele: Siehe "Journal".